AUS DEM GRÜNEN MALAWI

2. Zwischenbericht von Sophia Dykmann, Projekt Guilleme, im Februar 2014

AUS DEM GRÜNEN MALAWI

Es ist unglaublich, wie sich innerhalb kürzester Zeit eine bunte, fruchtbare Landschaft aus der rotbraunen, afrikanischen Savanne erhoben hat. Pralle Sonne und schwere Regenfälle wechseln sich in unregelmäßigen Abständen ab, innerhalb von Minuten ist alles unter Wasser gesetzt und in der nächsten Stunde schon wieder staubtrocken. Um die großen Pfützen zu überbrücken, wurden auf dem Schulhof Ziegelsteine verteilt, damit wir auf dem Weg vom Lehrerzimmer zur Klasse keine nassen Füße bekommen.

Die Regenzeit bringt viele gute Dinge mit sich – nicht nur zahlreiche Früchte und Gemüsesorten wachsen, sondern auch der Mais, der quasi die Lebensquelle der Malawier ist. Aus ihm wird der Nsima (Maisbrei) gemacht, der vom Großteil der Bevölkerung täglich morgens, mittags und abends gegessen wird. Der Regen kam diese Saison aufgrund der Klimaerwärmung viel zu spät, sodass der alte Mais schon aufgebraucht und der neue noch nicht gewachsen war. Viele Menschen in den Dörfern litten deshalb Hunger und die Regierung hat es nicht geschafft, alle Regionen mit Maismehl zu versorgen (unsere blieb leider aus). Bei uns in Guilleme haben wir davon allerdings keine Konsequenzen gemerkt.

Außerdem habe ich die Mangos für mich entdeckt, die an jedem zweiten Baum hängen. Im Dezember sind sie angefangen, reif zu werden und seitdem meine absoluten Lieblingsfrüchte. Sie werden mit den Zähnen geschält und wenn man in das saftige, orangene Fruchtfleisch beißt, läuft einem der Saft nur so die Hände und das Kinn runter. Der Geschmack ist eine tropische Explosion!

Seit es fast jeden Tag regnet, haben wir auch fast immer Strom und Wasser. Das ist wirklich sehr praktisch! Abgesehen davon ist es auch einfach schön, mal nicht durchgängig zu schwitzen oder sich morgens nochmal ins warme Bett zu kuscheln, wenn es draußen noch kühl ist – fast wie in Deutschland!

Die Regenzeit hat aber leider auch ihre schlechte Seite. Sobald es anfängt zu dämmern, wimmelt es überall nur so von Moskitos und inzwischen hilft auch kein Mückenspray mehr. Meine Beine sind zerstochen und ich kann nur von Glück sagen, dass ich noch gesund bin, wenn man bedenkt, dass das Krankenhaus bis zum Rand voll mit Malaria Patienten ist.

In diesem Krankenhaus haben Pia und ich in den Ferien eine Woche gearbeitet, nachdem wir die Mädels vom Internat mit einer großen Disco und vielen Umarmungen in die Weihnachtsferien verabschiedet haben.

Die Woche war ziemlich interessant. Die meiste Zeit haben wir in der Apotheke geholfen und Medikamente sortiert oder Verbandsmaterial zurechtgeschnitten. Das war nicht wirklich aufregend, aber, wie Pia sagen würde, „ganz meditativ“. Neben diesen Beschäftigungen habe ich aber viel gelernt, zum Beispiel über HIV und AIDS. Die Medikamente, die zur Behandlung von HIV und AIDS erforderlich sind, sind in ganz Malawi kostenlos, genau wie ein HIV-Test. Jedes Neugeborene einer HIV-positiven Mutter wird getestet und bei einem Test durfte ich sogar dabei sein. Obwohl ich wusste, dass es zwei Wochen dauert, bis die Ergebnisse aus dem Hauptlabor wieder nach Guilleme geschickt werden, war ich irgendwie total nervös und aufgeregt. Es war einfach ein komisches Gefühl, zu wissen, dass die Diagnose über das Leben von diesem kleinen Menschen entscheiden wird. Allgemein wird mit diesem Thema total aufklärend umgegangen, besonders in der Schule kommt HIV und AIDS in nahezu jedem Fach mindestens einmal vor.

Eine weitere Abwechslung von der Arbeit in der Apotheke war das Wiegen von Babies. Pia und ich haben die wirklich zuckersüßen Kinder in Chitengen (Wickeltüchern) wie ein Sack Kartoffeln an eine Wage gehangen, das Gewicht in den Gesundheitspass eingetragen und außerdem in die Akte eingetragen, ob das Kind untergewichtig ist oder nicht. Als ein Baby 5,5 KG wog und schon über ein Jahr alt war, haben wir es zunächst nicht geglaubt, dann aber ziemlich geschluckt.

Neben Erfahrungen wie dieser war der Dezember aber auch voll von schönen Erlebnissen. Der Postbeamte hat mich ziemlich verdutzt angeguckt, als ich Weihnachtsbriefe nach Deutschland, Indien, Washington, Georgia, Sydney oder Nicaragua verschickt habe. Schon verrückt, wie ich und meine Freunde uns auf der ganzen Welt verteilt haben!

Mein Geburtstagspaket ist zusammen mit dem Weihnachtspäckchen pünktlich zu Weihnachten angekommen und Pia und ich hatten eine richtig tolle Bescherung! So konnten wir auch Sissi gucken und Spekulatius essen, was alles perfekt gemacht hat. In der Kirche hat der wohl wunderschönste Chor gesungen, den ich je gehört habe und ich hatte auch (fast) gar kein Heimweh!

Das habe ich sowieso sehr wenig, denn ich weiß ja, dass ich schon bald wieder nach Deutschland fliege. Deshalb genieße ich meine Zeit in Malawi in vollen Zügen.

Am ersten Weihnachtstag war abends bei den Schwestern eine Party mit den Priestern, es gab leckeres Essen, Wein und wir haben bis in die Nacht zu nigerischer Musik getanzt. Die Schwestern sind inzwischen wie eine Familie für Pia und mich!

Am 26. ging es dann auch schon in den Urlaub – ab an den Malawisee! Ein bisschen haben wir ihn ja schon kennengelernt, aber jetzt hatten wir Zeit, ihn richtig zu erkunden. Wir haben viele verschiedene Buchten gesehen, eine schöner als die andere! An einem Tag sind wir mit einem Rastamann, Künstlername Cheese on Toast, zu einer einsamen Insel in Monkey Bay gepaddelt. Da das kleine Holzboot ein Leck hatte, waren wir während der Fahrt damit beschäftigt, das einlaufende Wasser wieder heraus zu befördern, dort angekommen konnten wir uns jedoch richtig entspannen. Die Insel und die Natur dort sind magisch, nirgendwo Menschen und die wunderschöne Natur ist vollkommen unberührt. Ein paar Affen haben sich auch blicken lassen, sind dann aber mit ihren Kindern auf dem Rücken schnell wieder in den Busch verschwunden. Der ganze Urlaub war einfach ein Traum! Wie sind geschnorchelt, geschwommen, haben einzigartige Fische im glasklaren Wasser bewundert, haben Trips zu atemberaubenden Inseln gemacht, abends am Lagerfeuer getrommelt und viel Bräune und leider auch Röte getankt. Als ich am 30. Dezember dann mit Sonnenstich und 39,9 Fieber ins Krankenhaus musste, ist mir nochmal bewusst geworden, dass mit der Äquatorsonne wirklich nicht zu spaßen ist…

Silvester war ich aber zum Glück wieder fit und wir neun Freiwillige haben uns alle in einer Lodge in Cape Maclear getroffen. Wir waren nicht die einzigen Backpacker und schon gar nicht die einzigen Weißen, die ganze Gegend war voll mit Touristen und abends fand dann eine richtig fette Party statt – mit Feuerwerk!

Es war wirklich schön, mit den anderen Freiwilligen zu feiern und den ganzen Urlaub lang so richtig zu entspannen.

Allerdings ist es trotzdem ein bisschen paradox, vom Alltag im Dorf zum Touristendasein und wieder zurück zu wechseln.

Nach dem Urlaub hatten wir dann auch schon unser Zwischenseminar. Fast unvorstellbar, dass die Hälfte meines Jahres schon um ist. Ich habe das Gefühl, die Zeit fliegt an mir vorbei, desto mehr werde ich die zweite Halbzeit jetzt genießen. Das Seminar hat mich eigentlich nur gestärkt, mich noch mehr inspiriert und es war schön zu hören, dass andere ähnliche Erfahrungen machen.

Der Moment war unglaublich schön, als ich dann nach drei Wochen wieder zuhause in Guilleme angekommen bin. Durch diese Zeit der Abwesenheit habe ich erst richtig gemerkt, wie sehr ich mich in Guilleme eigentlich wohl fühle und wie gut ich es mit meinem Projekt getroffen habe. Eigentlich kann ich sogar sagen, dass ich mir keine besseren Umstände für dieses Jahr hätte vorstellen können.

Als Pia und ich nach Hause gekommen sind, waren die Mädchen schon aus den Ferien zurück. Alle haben sich wahnsinnig gefreut, uns wieder zu sehen und wir uns natürlich auch. Ich kann mir zurzeit noch gar nicht vorstellen, die schon in sechs Monaten einfach hinter mir zu lassen.

Der Alltag kam ziemlich schnell wieder, jedoch bin ich durch das Seminar und die Zeit im Urlaub irgendwie kreativer geworden. Ich habe zum Beispiel angefangen, den Mädels Volleyballspielen beizubringen. Mit Regeln – und das ist schon eine echte Herausforderung! In das übliche „Alle-stürzen-sich-auf-den-Ball-und-die-Stärkste-gewinnt“ bringe ich Schritt für Schritt ein bisschen Form und hatte auch schon das ein oder andere Erfolgserlebnis. Außerdem habe ich meine Unterrichtsmethoden ein bisschen geändert, um meine Rassenbande von mittlerweile über 100 Mädchen zu kontrollieren. Zu Beginn wird jetzt immer ein Lied gesungen, Stretching gemacht und mit einer Trillerpfeife und anderen Geräuschen bringe ich Ruhe in die Klasse. Außerdem kriegen die Besten der Stunde am Ende einen Stempel und generell belohne ich jetzt mehr, als zu bestrafen. Ich arbeite inzwischen auch weniger mit Frontalunterricht, sondern auch viel mit Gruppenarbeit oder anderen interaktiven Lernmethoden, an die ich mich zu Beginn wegen der Klassengröße nicht herangetraut habe. Ich verstehe inzwischen auch, wieso die Kinder in unserer Primary School so viele praktische Sachen wie „Badezimmer bauen“ oder „Marketing von selbst hergestellten Kunstwerken“ lernen. Die Primary School (Klasse eins bis acht) ist nämlich kostenlos und ein Großteil der Schüler wird es sich danach nicht leisten können, die weiterführende Schule zu bezahlen. Und ohne weiterführende Schule keine Universität, ohne Universität kein guter Beruf. Deshalb weiß ich es jetzt sehr zu schätzen, dass unsere Schule die Kinder sowohl auf ein erfolgreiches Berufsleben, als auch auf ein einfaches Leben als Agrarwirtin und Hausfrau vorbereitet.

Auf dem Internat läuft es auch richtig gut, die Mädels halten mich echt fit und bringen mich immer zum Lachen. Generell haben sich alle aneinander gewöhnt und wir sind eine große Familie geworden. Auch in „Guilleme Village“ sind wir inzwischen (meistens) nicht mehr die neuen Weißen, sondern wirklich Pia und Sophia und langsam kriegen es die Leute auch hin, uns nicht mehr zu verwechseln.

Eigentlich kann ich sagen, dass ich meine Rolle hier und meinen Platz in der Gemeinschaft ganz gut gefunden habe und wirklich zufrieden bin.

In unserem Freiwilligenhaus habe ich ein ziemlich kaputtes Fahrrad gefunden. Es hat zwar lange gedauert, aber ich hab es wieder reparieren können (ohne Papas Hilfe!) und fahre deshalb jetzt auch viel damit durch die Gegend. Auf den huckeligen Sandwegen und ohne Gangschaltung ist das nicht ganz so einfach, aber Spaß machen tut es trotzdem!

Da unsere erste Katze Jaya the Cat ja leider zwischen die wilden Hunde geraten ist, haben wir vor zwei Wochen zwei neue Babykatzen mit Mama bekommen. Mary Jane schnurrt gerade auf meinem Schoß, Nelson Mandela ist jedoch letze Woche auch in die ewigen Jagdgründe eingegangen. Es gibt hier weder Tierärzte noch irgendwelche Impfungen und deshalb ist es trauriger weise einfach normal, dass Tiere sterben. Mary Jane und ihre Mutter haben sich jedoch schon des Öfteren als sehr nützlich erwiesen (siehe Foto).

An unseren Wochenenden unternehmen Pia und ich auch immer öfter etwas, zum Beispiel fahren wir gerne in die Hauptstadt Lilongwe, wo wir auch schon ein paar Bekannte haben. Die zeigen uns dann die Stadt, Märkte oder das Nachtleben, was alles sehr interessant und manchmal auch ziemlich lustig ist. Der Gegensatz von der Stadt zum Dorf ist auch nochmal ein Thema für sich, was ich mir an dieser Stelle für meinen nächsten Zwischenbericht aufhebe.

An einem Wochenende sind Pia und ich spontan mit dem Minibus in die nächste Stadt Mchinji gefahren und haben dort den „Mchinji Mountain“ bezwungen. Mit drei kleinen Jungs, die uns für ein paar Kartoffeln den Weg gezeigt haben, haben wir uns dann durch Gräser gekämpft und sind Steine hochgeklettert. Am nächsten Tag konnte ich meine Beine zwar kaum bewegen, aber für die Aussicht hat sich das auf jeden Fall gelohnt!

So – das war es dann auch erstmal wieder mit Infos über mein malawisches Leben. Ich hoffe, mein Bericht hat euch gefallen und ihr könnt euch jetzt noch ein bisschen mehr vorstellen, wie es mir geht im „warm heart of Africa“, wie Malawi gerne genannt wird. Dieser Ruf hat sich für mich übrigens vollkommen bestätigt!

Alles Liebe und haltet die Ohren steif, in Deutschland oder wo auch immer!

Eure Sophia

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