Hubertusmesse

Während der Messe hielt Pastor Bischoff folgende Dialogpredigt:

REPORTER:

Zunächst danke ich Ihnen, dass Sie in die Rolle des heiligen Hubertus schlüpfen.

Hubertus

Das mache ich gern, denn ich bin leidenschaftlicher Jäger, so dass es mir nicht schwer fällt, mich in die Gedankenwelt des heiligen Hubertus hinein zu versetzen.

REPORTER:

Es ist schwer, aus dem Kranz der vielen Legenden, den Ursprung herauszufinden. Sicher ist, daß Sie um 655 geboren wurden, ungemein klug waren und 727 als Bischof von Lüttich im heutigen Belgien starben. Sie können sicher noch einiges hinzufügen.

Hubertus

Ja, es war bei mir wie oft bei Menschen, die von Gott in besonderer Weise an die Hand genommen werden: Mein Eheglück war nur kurz, weil meine Frau bei der Geburt unseres ersten Kindes starb. Um über diesen Kummer hinwegzukommen, stürzte ich mich in alle möglichen Vergnügen; dazu gehörte auch meine Lieblingsbeschäftigung, die Jagd. Wer den Sinn des Lebens gefunden hat, braucht das alles nicht in dieser extremen Art, mit der ich übertrieb.

REPORTER:

Ja, das ist bekannt: Hinter einem doce vita, das betäuben kann, bleibt ein Leerraum, eine Sehnsucht, dass es noch mehr als das alles geben muss. Die Wende bei Ihnen bewirkte das Kreuz im Geweih eines kapitalen Hirsches, den Sie erlegen wollten wie es die Fahne (die Darstellung) sehr schön zeigt?

Hubertus

Zunächst überraschte mich, das der Hirsch ruhig stehen blieb. Dann sah ich das leuchtende Kreuz und lag schon auf den Knien. Ich spürte, Gott wollte mir signalisieren: Der Herr über Natur und Kreatur, der Herr der Welt, ist auch mein Herr. Er wollte mich ganz. Ich kam an diesem Kreuz nicht vorbei wie schon so viele vor mir.

REPORTER:

Sie zogen die Konsequenzen?

Hubertus

Ja, ich verließ den Hof, auf dem ich als Pfalzgraf lebte.

REPORTER:

Sie waren der älteste Sohn des Herzoges Betrand von Toulouse, und sicher warteten viele Verpflichtungen auf Sie?

Hubertus

Ich legte alle Ämter ab, verschenkte mein Vermögen an die Armen und zog mich in die Einsamkeit der damals riesigen Wälder der Ardennen zurück. Ich brauchte einen klaren Kopf.

REPORTER:

Sie kamen am Kreuz nicht vorbei.

Hubertus

Genau. Dann ging ich zum Bischof Lambert von Maastricht, der mich schließlich zum Priester weihte. Als er starb, wollten die Leute mich zum Bischof.

REPORTER:

Damals wählten die Leute noch ihren Bischof wie auch der hl. Martin?

Hubertus

Ja. Ich habe mich genauso wie er gewehrt, dieses schwere Amt anzunehmen. Aber dann fügte ich mich den Wunsch der Leute bzw. dem Willen Gottes, den ich dahinter spürte. Wieder kam ich am Kreuz nicht vorbei.

REPORTER:

Sie haben oft und lange über das Kreuz nachgedacht.

Hubertus

(zeigt das Kreuz aus zwei Hölzern, deren Enden wie ein Wegweiser zugespitzt sind.) Wissen Sie, es ist ein Wegweiser! Der Längsbalken nach oben will sagen: Suche den Schöpfer, der über aller Kreatur, auch über den Menschen, steht. Und der horizontale Balken sagt: Bewahre diese Schöpfung! Wer einen Menschen ins Gesicht schlägt, trifft eigentlich den Schöpfer selbst. Wer ein Tier quält oder ausbeutet, beleidigt den, der es sich entwickeln ließ. Und wer eine Pflanze oder einen Strauch oder Baum ohne Grund vernichtet, zerstört das Kleid der Herrlichkeit Gottes (stellt das Kreuz vor den Altar).

REPORTER:

Mir ist klar: Wer nichts Heiliges mehr über sich anerkennt, der zertritt auch gewissenlos Heiliges unter sich.

Hubertus

Dann zog ich unter Mühen von Dorf zu Dorf in meinem früheren Jagdgebiet, die Südbrabant und die Ardennen, um die Menschen für Christus zu begeistern und sie von den heidnischen Bräuchen und ihrem Aberglauben zu bekehren.

REPORTER:

Sie verlegten ihren Bischofssitz von Maastricht zum heutigen Lüttich?

Hubertus

Ja, weil die Normannen und Friesen zu nahe und zu gefährlich waren.

REPORTER:

Ihr Tod kam für alle Menschen damals viel zu früh, obwohl Sie 72 Jahre alt wurden. Die Trauer war groß. Sie wurden zum Patron der Jäger, der Forstleute und vieler Schützenbruderschaften gewählt.

Hubertus

Da gibt es noch etwas Originelles zu erzählen: Meine Gebeine wurden in das Kloster St. Hubertus in den Ardennen überführt. Und an meinem Festtag, den 3. November, wenn überall die Jagd eröffnet wird, dürfen dort die Jäger mit ihren Pferden und Hunden in die Kirche reiten.

REPORTER:

Wenn Sie Ihr Leben noch einmal Revue passieren lassen, was würden Sie uns als wichtigste Erkenntnis hinterlassen?

Hubertus

Am Kreuz kommst du nicht vorbei wenn du in deinem Leben den Blick dafür hast.

Vor der Messe verteilte Reinhard Menne einen Flyer mit der Überschrift: Schluss mit Hubertusmessen!

Die Legende Hubertus und dem kreuztragenden Hirsch ist aus der Dichtung und der bildenden Kunst bekannt. Gemäß der überlieferten Legende wurde Hubertus um 655 als Sohn eines Edelmannes geboren und starb im Jahre 728. Anfangs führte er ein vergnügungssüchtiges Leben und war ein leidenschaftlicher

Jäger. Als er eines Tages bei der Jagd einen Hirsch aufgespürt hatte und ihn verfolgte, um ihn zu töten, stellte sich dieser ihm plötzlich entgegen. Zwischen seinem Geweih erstrahlte ein Kreuz, und in der Gestalt des Hirsches sprach Christus zu ihm: »Hubertus, warum jagst du mich?« Hubertus stieg vom Pferd und kniete vor dem Hirsch nieder. Von diesem Moment an beendete Hubertus das Jagen und führte fortan ein einfaches Leben.

Soweit die Legende. Nach seinem Erlebnis mit dem Hirsch hörte Hubertus also mit der Jagd auf und wurde ein ernster Christ. Denn wahres Christentum und Jagd passen einfach nicht zusammen. Bei seiner Begegnung mit dem Hirsch wurde er nämlich vor die Wahl gestellt, entweder tötet er das Tier – dann tötet er auch Christus – oder er tut dieses nicht und bekennt sich zu Christus. Oder mit den Worten aus Matthäus 25,40 gesprochen: »Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, dass habt ihr mir getan«.

Es steht auch nirgends geschrieben, dass Jesus Christus, den beide Konfessionen als Sohn Gottes verehren, jemals Tiere gejagt hat. Das wäre auch sehr widersinnig, denn Gottes 5. Gebot lautet »Du sollst nicht töten«. Jede Jagd ist aber mit dem Töten verbunden.

Trotz alledem finden aber alljährlich am 3. November, dem Hubertustag, die so genannten Hubertusjagden sowie Hubertusmessen in Kirchen statt. Anstatt den heiligen Hubertus zum Schutzpatron der Tiere zu machen, ernannte die Kirche ihn zum Patron der Jäger.

Alle Jäger sollten sich aber den heiligen Hubertus zum Vorbild nehmen und aufhören zu jagen.

Der Sinn der Hubertusiegende ist doch wohl dieser, dass der Mensch in Einklang und Frieden mit der Natur und den Tieren leben soll. Er soll nicht der Jäger, sondern der Beschützer und der Freund der Tiere sein. Wie heißt es doch so schön bei Markus 16,15: »Gehet hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen.« Hiermit ist sicherlich nicht das Jagen gemeint.

Unheilige Allianz von Kirche und Jagd

Kirche und Jagd – das war schon immer eine unheilige Allianz. Bis heute halten sowohl katholische, als auch evangelische Kirchen alljährlich Hubertusmessen ab und segnen die Waidmänner, ihre Waffen und die »Strecke« der getöteten Tiere. Und dies, obwohl der heilige Hubertus der Legende nach der Jagd entsagte, als er im Geweih eines Hirsches ein strahlendes Kreuz erblickte und die Stimme von Christus hörte: »Hubertus, warum jagst du mich?« Wann folgen Jäger und Pfarrer Hubertus nach?

Bei der Hubertusmesse in Stuttgart am 9.11.2002 wurde eine friedliche Tierschützerin vor der evangelischen Leonhards-Kirche von einem Jäger verprügelt – vor den Augen der Polizei.

Kirche und Tiere – ein ebenso unseliges Kapitel. Dass die Tiere in unserer Gesellschaft millionenfach so unsagbar leiden müssen, ist nicht zuletzt auf die gefühllose Haltung der beiden großen Kirchen gegenüber den Tieren zurückzuführen. Jahrhundertelang und bis heute sprechen beide Kirchen den Tieren die Seele ab – und auch die Gefühle. Selbst Tierschützer innerhalb der Kirchen »werden von Kirchenkreisen häufig als überspannte, neurotische Spinner abgetan«, schreibt der Theologe und Tierschützer Guido Knörzer (Guido Knörzer: Töten und Fressen? Kösel-Verlag, 2001, S. 32). Wann gab es jemals ein offizielles kirchliches Wort gegen Massentierhaltung und Tiertransporte? Wann haben sich die großen Kirchen jemals gegen Tierversuche ausgesprochen? Die Kirche ist seit Jahrhunderten gegen die Tiere und dies, obwohl Jesus und die ersten Christen Vegetarier waren. Dies wusste übrigens auch noch Kirchenvater Hieronymus, welcher bekanntlich die Bibel zusammenstellte: »Der Genuss des Tierfleisches war bis zur Sintflut unbekannt… Jesus Christus, welcher erschien, als die Zeit erfüllt war, hat das Ende wieder mit dem Anfang verknüpft, so dass es uns jetzt nicht mehr erlaubt ist, Tierfleisch zu essen.«
(Adversus Jovianianum I, 30)

Prof. Dr. theol. Dr. h.c. Erich Grässer, em. Ordinarius für Neues Testament an der Universiät Bonn: »Was ist mit Kirche und Tierschutz? Ich muss an dieser Stelle deutlich werden: Wenn einst die Geschichte unserer Kirche geschrieben wird, dann wird das Thema „Kirche und Tierschutz“ im 20. Jahrhundert dann ein ebenso schwarzes Kapitel darstellen wie das Thema „Kirche und Hexenverbrennung“ im Mittelalter.«

Die evangelische Theologin Christa Blanke, ehemals aktiv bei AKUT, zum Thema Hubertusmessen (in: DER SPIEGEL 44/2001): »Die Geschichte einer Umkehr wird von beiden Konfessionen verfälscht und missbraucht«, beklagt Christa Blanke, langjährige Pfarrerin in Glauberg bei Offenbach. Hubertus sei eher zum Patron des Wildes als der Jäger berufen. Obwohl tief als Protestantin verwurzelt, ist die 53jährige Theologin – ein bisher einmaliger Fall – im vergangenen Jahr aus der Kirche ausgetreten: »Die segnet diejenigen, die Tiere töten. Diejenigen, hingegen, die Tiere schützen, werden beargwöhnt.«

Kein Wunder, dass immer mehr Tierschützer (und nicht nur diese) aus der Kirche austreten.