Liebe Grüße aus „dem warmen Herzen Afrikas“!

In diesem Monat habe ich meine Arbeit als Lehrerin und Kindergärtnerin beendet und die, der Krankenschwester begonnen.
Mit dem Terminal-Test, der Endprüfung, endete das Schuljahr 2007/2008.

Der Terminal-Test wird in allen Fächern geschrieben und beinhaltet insgesamt 100 Punkte, die auf 20-50 Fragen aufgeteilt werden müssen. Jeder Test dauert 70 Minuten und beinhaltet den Lehrstoff des gesamten letzten Schuljahres.
Pro Tag wurden zwei Tests geschrieben und am Ende alle Ergebnisse zusammengerechnet, um so zu ermitteln, ob die Kinder das Schuljahr bestanden haben und damit in die nächste Klasse versetzt werden konnten oder nicht.
Die Schwierigkeit für mich bestand darin, unter den strengen Kontrollen der Headmistress einen aus drei Schwierigkeitsstufen bestehenden Test zu bilden, der kein Kind über- oder unterfordern sollte und für die Kinder in leichtem und verständnisvollem Englisch geschrieben werden musste.
Das Problem ist, dass einige Kinder erst seit wenigen Monaten auf unserer Schule sind und somit kaum Englisch können. Andere jedoch schon ab Standard 1 auf unserer St. Francis School sind und für sie das Sprechen auf chichewa in der Schule verboten ist. Das richtige Mittelmaß zu finden war nicht einfach.
Da es keinen Kopierer in der Schule gibt, musste ich alle Testfragen an die Tafel schreiben. Wenn die voll war, habe ich einen Teil ausgewischt und weiter geschrieben. Das Abschreiben habe ich den Kindern erspart, da das schon die Hälfte der Testzeit in Anspruch genommen hätte.
Nicht einfach war es auch die zum ersten Mal komplett anwesende Klasse von rund 80 Kindern vom Abschreiben und Vorsagen abzuhalten. Sobald ich ihnen den Rücken zugewandt hatte, ging plötzlich ein Hustenanfall los, der zufällig die ganze Klasse ansteckte. Zwischen dem Keuchen und Prusten hörte man leise Stimmen flüstern. Die einzig wirksame Medizin, war ein Umdrehen und böses Gesicht meinerseits zu machen…( Hätte ich damals in meiner Schulzeit mogeln wollen, hätte ich schon zu anderen Tricks gegriffen…:-) Zum Pech der Kinder habe ich einige entdeckt und so versammelten sich ca .20 strafversetzte Kinder direkt vor der Tafel auf dem Boden um da ihren Test ungestört weiter schreiben zu können…
Der Terminal -Test meiner Klasse in science and technology lag nach der Auswertung aller Tests im Mittelfeld. Die letzte Woche der Schulzeit wurde mit Aktivitäten gefüllt, damit die Kinder bis zur Bekanntgabe ihrer Leistungen sich nicht langweilten und die Lehrer genügend Zeit hatten um die Tests auszuwerten
Ich bekam Standard 7 zugeteilt um sie die letzte Woche zu beaufsichtigen. Die Klassengröße aller Standards hatte sich schlagartig um mehr als die Hälfte minimiert und so waren bei mir nur noch 30 Kinder, die einmal der neuen weißen Lehrerin auf den Zahn fühlen wollten. Am ersten Tag der Aktivitätenwoche führte ich die Klasse zum in der Nähe liegenden Fußballfeld , wo die Jungen an einem Fußball- und die Mädchen an einem Netballmatch der Schule teilnahmen.
Die Mädchen haben gegen eine Auswahl der besten Spielerinnen aus Standard 5 und 6 gewonnen und die Jungen haben 1:1 gegen Standard 6 gespielt. Ein erfolgreicher Einstieg in die letzte Woche.
Der zweite Tag wurde mit singen und basteln ausgefüllt.
Eine challenge am Ende des Tages sollte die beste Klasse ermitteln. Alle Standards mussten die malawische Nationalhymne sowie das Lied „we shall overcome“ singen.
Nach einer spontan eingeübten Performance mit trommeln und rhythmischen Bewegungen zur Musik, bekam meine Klasse Platz eins und später noch ein Schulheft für jedes Kind als Geschenk!
Der Bastelteil des Tages war ursprünglich mit dem Gestalten von Weihnachtsmännern aus Klopapierrollen geplant. Nach Rücksprache mit den Lehrern haben wir uns allerdings dagegen entschieden, da „father christmas“ in den Dörfern nicht bekannt ist und sogar einige Lehrer nicht wussten, wer das sein soll. Also beklebten die Kinder Weihnachtssterne mit Toilettenpapierkügelchen, Fäden und allem, was sich sonst noch so auffinden ließ.

Der letzte Tag der Aktivitätenwoche startete mit einem plötzlichen Wolkenbruch, der die Regenzeit ankündigte. Die geplanten Aktivitäten haben wir trotzdem durchgeführt. Ein Teil der Schüler hat mit dem Schwungtuch gespielt und die andere Hälfte spielte „tag of war“(leider weiß ich nicht was für eine Art Spiel das ist).

Am Freitag war dann der große Tag der Notenbekanntgabe.
Da die Schüler keine Zeugnisse bekommen, versammelten sich alle Kinder auf dem Schulhof und warteten auf die Bekanntgabe ihrer Platzierungen.
Der jeweilige Klassenlehrer las die Namen der zehn besten Schüler vor. Diese durften nach vorne kommen um ein kleines Geschenk in Empfang zu nehmen. Spenden aus Deutschland z.B. T-Shirts, Stifte oder Schulhefte.
Bis zum letzten Schüler wurde die „Bestenliste“ vorgelesen und jeder Schüler musste beim Verkünden seines Namens aufstehen, damit die anderen ihn sehen konnten.
Neben den Schülern und Lehrern waren auch ca. 100 bis 200 Eltern anwesend, um ihren Kindern zur Belohnung etwas zu schenken.
Fast nur die reichen Elternteile waren vertreten- in ihren besten Kleidern und mit großen Geschenken für ihre Kinder. Die Schulkinder saßen zwar zusammen auf dem Boden , aber man sah, wer viel und wer wenig Geld hat. Der Unterschied zwischen arm und reich wurde deutlich sichtbar.
Die reichen Kinder hatten, wie ihre Eltern, nur die beste Kleidung an und einige Mädchen hatten sich extra für die Ferien Frisuren flechten lassen. Daneben saßen die ärmeren Kinder in meist zerrissener Kleidung und ohne Geschenke von Eltern, da die meist bei der Feldarbeit waren.

Die Feldarbeit haben wir auch noch am selben Tag erledigt. Die ersten kleineren Regenschauer kündigten schon die Regenzeit an und alles sollte bis dahin fertig sein.
Mit einem Spaten ausgerüstet, machten wir 3 Missionare auf Zeit uns in der Mittagssonne auf dem Weg zum Schulgarten. Nach einem Gebet um eine gute Ernte säten wir mit den Gärtnern und Küchenfrauen die Maiskörner aus.

Nach der Aussaat blieb der Regen aus- bis jetzt.
Die halbe Ernte ist schon vertrocknet und die Bauern in den Dörfern haben nun begründete Angst, keine halbwegs vernünftige Ernte zu bekommen. Die Saatkörner sind im letzten Jahr so teuer geworden, dass sich wohl nur die Reichen eine zweite Aussaat leisten können… alles steht und fällt mit dem Regen. Wenn der nicht bald kommt, könnte eine Hungersnot folgen.

Abgesehen von diesen Problemen gibt es noch andere:
Die kurzen Regenschauer haben viele Tiere in die weitgehend trockenen Hütten und Häuser der Einwohner gelockt. Ein Lehrer unserer Schule wurde von einer Schlange gebissen und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Andreas hat beim Versuch, eine schwarze Mamba zu töten, ihr Gift ins Auge gespritzt bekommen und musste auch behandelt werden. In unserem Haus waren schon zwei große Skorpione und unzählige Riesenspinnen. Ich werde hier meine Spinnenangst überwinden müssen.

Ins Krankenhaus kommen zahlreiche Menschen mit Malaria zur Behandlung- einige von ihnen zu spät…
Ich arbeite zur Zeit auf der Kinderstation . Etwa 80% der Kinder haben Malaria, da die Moskitos ebenfalls vor dem Regen flüchten wollten.
An meinem zweiten Tag musste ich zusehen, wie ein 3- jähriges kleines Mädchen gesäubert und zugedeckt wurde, weil es kurz zuvor an Unterernährung gestorben war. Zuerst dachte ich, es schliefe nur, bis ich realisierte, dass bereits die Totenstarre eingesetzt hatte und so gut wie aus jeder Körperöffnung Flüssigkeit austrat…
Seine Haut sah aus, als hätte es einen Brandunfall hinter sich gehabt, da die Hälfte seines Körpers nicht mehr schwarz sondern wie bei Brandwunden ,so weiß wie unsere Europäerhaut war.
Später erklärte mir die Schwester, dass sich die Haut bei einem Nährstoff-
mangel ablöse, eben wie bei Brandopfern. Die Eltern haben sich kein Essen mehr leisten können und ihre Kinder nicht mehr ausreichend ernähren können.
Unter die Patientenakte schrieb die Schwester: RIP (rest in peace) VERRY SORRY

Nachdem ich mich wieder etwas von dem Schock erholt hatte, kam die Mutter des Kindes in den Raum, wo der tote Körper ihrer Tochter lag. Die Frau weinte und wimmerte eine halbe Stunde lang und schrie immer wieder „ mami, mami…“.
Die Schreie werde ich wohl mein Leben lang nicht mehr vergessen.
Die Großmutter trug das Kind auf dem Rücken nach Hause, so als würde es noch leben.

In Deutschland ist es ein Riesenskandal, wenn Eltern ihre Kinder nicht ausreichend ernähren (können) und alle sind geschockt, wie so etwas passieren kann.
Hier in Malawi ist es Normalität und der Hunger gehört zum Leben dazu.

Wenn man sieht, was man für einen Euro hier kaufen kann und wenn ich daran denke, wie viel Geld in Weihnachtsdekoration und Geschenke in meiner Heimat Deutschland investiert wird, fühle ich diese unglaubliche Ungerechtigkeit und Ohnmacht dem Hunger gegenüber.

Nicht der Hunger ist die große Gefahr der Menschheit, sondern deren Egoismus.

Ich möchte kein schlechtes Gewissen hervorrufen, da ich früher selbst nicht gespendet habe und ich will mich auch bestimmt nicht als Samariter darstellen, aber vielleicht denken ein, zwei Menschen neben dem Rinderbraten und der neuen Playstation zu Weihnachten auch mal an die, die nichts haben. Das wäre
schön.
Spenden sind immer willkommen (auch die kleinste) an die
Kongregation der Franziskanerinnen Salzkotten, Volksbank Paderborn
Konto 9 130 195 901, BLZ 472 601 21, Stichwort: Madisi -Eva-Marie H.
FROHE WEIHNACHTEN
Eure Eva

Eva Hüppmeier in Malawi

Eva Hüppmeier in Malawi