Liebe Grüße aus Malawi nach Deutschland!

Viele Neuigkeiten gibt es eigentlich nicht zu erzählen…

Wir arbeiten den ganzen Tag, essen und schlafen. Ausnahmen bilden dann unsere abenteuerlichen Trips zum See oder nach Lilongwe, die aber höchstens einmal im Monat stattfinden – mehr würden unsere Nerven auch nicht aushalten…

Der Malawisee ist ein Traum- ein Touristentraum- aber immerhin.
Zwar haben wir uns vorgenommen, das Touristenverhalten durch typisch malawisches Verhalten zu ersetzen, (und wenn wir die Weißen sehen, die die Kultur hier nicht achten, im Bikini am Essenstisch sitzen oder im Top und kurzen Shorts rumlaufen, werden wir doch schon etwas sauer und peinlich berührt) aber gegen ein schönes Zimmer mit Minikühlschrank, leckerem Essen und einem riesigen See direkt vor der Haustür, hatten wir dann doch nichts einzuwenden… das Allerbeste war dann aber doch eine Dusche, aus der so viel Wasser kam, wie wir wollten.

Um das zu verstehen müsst ihr wissen, dass in Madisi zurzeit ein extremer Wassermangel herrscht und wir daher seit 3 Wochen ohne einen Tropfen aus dem Wasserhahn leben… Unser 200 Liter Wassertank neigt sich so langsam dem Ende zu und so bleibt uns nichts anderes übrig, als die Dusche auf ein paar Tage hinauszuzögern und unsere Toilette mit einem Wassereimer zu spülen. Schwester Clara, die schon seit 24 Jahren hier in Madisi wohnt, sagte uns, dass es noch nie so schlimm gewesen sei- und das soll schon etwas heißen! Das schlimmste Problem ist allerdings, dass die Menschen in den Dörfern ernsthaft von Colera bedroht sind, da sie aus der Not heraus das dreckige Wasser aus dem Fluss trinken.

Falls in Madisi Cholera ausbrechen sollte, müssten der Kindergarten und die Schule geschlossen werden, um das Schlimmste zu vermeiden… als wäre das nicht genug, sorgt der Wassermangel auch für einen Nahrungsmangel.

Da sowohl Phala als auch Nsima (die beiden Hauptnahrungsmittel, die zu jeder Mahlzeit gegessen werden) mit Wasser angerührt werden müssen, reichen unsere Wasserreserven nicht mehr aus, um die Kinder in der Schule und im Kindergarten mit Essen zu versorgen. In Madisi soll die Wasserversorgung in Notfällen durch einen großen Wassertank geregelt werden, daher holt unser Fahrer jeden Tag einige Tonnen gefüllt mit Wasser. Da der Tank aber nicht für alle Bewohner reicht, haben wir meistens kein Wasser, um das Essen für die Kinder zu kochen. Am Anfang wurden nur noch für die Waisenkinder gekocht und zwischendurch für überhaupt kein Kind mehr. Die Betreuer der Waisenkinder haben meist kaum Geld und daher ist es für die Kinder besonders schlimm, da das Essen in der Schule häufig ihre einzige Mahlzeit am Tag ist- wenn die noch wegfällt kann sich jeder von euch ausmahlen wie hungrig sie sind.

An einem Tag, als mal wieder kein Wasser zum Kochen vorhanden war, habe ich im Kindergarten gearbeitet. Es hat mir das Herz zerrissen, als die Erzieherinnen fragten, wer von den Kindern noch Eltern hätte und wer nicht. Die Waisenkinder wurden von den Kindern, welche Eltern haben getrennt und bekamen etwas Phala (Maisbrei) zu essen. Die anderen mussten zugucken und auch wenn ihre Eltern reich sind (sie müssen für die Schule und den Kindergarten Geld zahlen) sahen sie so traurig und hungrig aus, dass ich ein paar Tränen verdrücken musste.

Maisbrei für die Kinder

Maisbrei für die Kinder

Am nächsten Tag sollten sich alle Kinder etwas zu essen von zu Hause mitbringen. Die meisten hatten nichts bei und so mussten sie zusehen wie einige wenige Kinder zum Teil Süßigkeiten und leckere Getränke verschlangen. Ich bekomme häufig den Eindruck, dass die Eltern durch ihre Kinder zeigen wollen, wie viel Geld sie haben und so sind die Kinder, deren Eltern noch leben, nicht nur besser gekleidet, sondern essen auch noch besonders viel oder besonders Leckeres – und die Waisenkinder schauen wieder hungrig zu. Meistens kauft Schwester Lamberta für jedes Kind dann einen Keks, um ihnen wenigstens das Gefühl zu geben, einen Ersatz für das Mittagessen zu haben…

Was ich allerdings auch mit Erstaunen festgestellt habe, ist, dass die Kinder ein unglaubliches Gespür für ihre Mitmenschen haben. Wenn ein Kind etwas zu essen hat, wird es von mindestens 10 anderen hungrigen Kindern umlagert, die alle ihre Händchen aufhalten um etwas abzubekommen. Aber es gibt auch kaum ein Kind, das nicht teilt. Genauso beobachte ich immer wieder, wenn ein Kind anfängt zu weinen: sofort sind einige andere Kinder zur Stelle, die mit allen möglichen Tricks versuchen dieses Kind zu trösten. Außerdem findet man kein Kleinkind im Kindergarten, das nicht von einem größeren an die Hand genommen und beschützt wird.

Das also zur momentanen Lage in Madisi.

Aber wie gesagt, am See, dort wo Touristen sind, scheint man diese Probleme nicht zu kennen. An solchen Orten hat man höchstens das Problem zwischen einem saftigen Steak oder Pizza wählen zu müssen. Die Zeit der Erholung von der Arbeit und nicht zu vergessen die Hinfahrt von 5 bis 6 Stunden auf einer Ladefläche eines Lastwagens mit 60 Kindern, war zwar kurz, aber auch dringend nötig!

Hätten wir gewusst, wie unsere Rückfahrt wird, hätten wir uns wahrscheinlich diesen Wochenendtrip doch nicht gegönnt:

Die Fahrt hat trotz erheblicher Abkürzung die gleiche Zeit in Anspruch genommen, jedoch das 2 bis 3 -fache an Nerven gekostet.

Um von der Lodge zur nächsten Stadt zu kommen, haben wir uns ein Fahrradtaxi gemietet und vom Gepäckträger aus die schwitzenden Männer angefeuert, nicht aufzugeben- vergeblich.-
Bei 35 Grad im Schatten, eine Straße die eigentlich nur aus Sand bestand, einer Person plus deren Gepäck auf dem Gepäckträger und der heißen Mittagssonne, ist es auch kein Wunder, dass sie nach ein paar Kilometern nicht mehr konnten… also sind wir die 3 Kilometer bis zur befestigten Straße neben ihnen her marschiert. Das die Männer uns 16 Kilometer weiter transportieren könnten, glaubten wir dann doch nicht mehr und so haben wir zu einem echten Taxi mit vier Rädern und einem Motor gewechselt.

Die Radfahrer haben, auch wenn ihre Ehre etwas angekratzt war, doch sichtlich erleichtert zugestimmt und uns die umgerechnet 1,50 Euro Fahrtkosten erlassen.

In Nkhotakota, der nächsten Stadt, sind wir dann freudig in einen „Mediumbus“ umgestiegen, der uns sobald er vollbesetzt war, direkt nach Madisi bringen sollte. In Afrika ist man gewohnt zu warten und so sind wir nach einer Stunde Aufenthalt, in Richtung Madisi aufgebrochen. – Maximal 2 Meter sind wir weit gekommen…

Motorschaden! Aber da man(n) sich zu helfen wusste, wurde geschraubt und gebastelt- ohne Erfolg. Die Freunde des Fahrers haben dann ordentlich angeschoben und unseren Bus einen Berg runter geschoben- nichts! Gibt es einen Ersatzbus? Nein!

Mit dem Pickup in die Dörfer

Mit dem Pickup in die Dörfer

Zum Glück kam dann ein Mango-Transporter vorbei, der uns freundlicherweise mitgenommen hat. Karina und ich saßen vorne im Fahrerhäuschen (immer die Uhr und die Tachoanzeige im Blick) und Andreas hinten auf den Mangosäcken. Die 20 km/h kamen uns dann nach einigen Stunden und einer Hochrechnung der Ankunftszeit, doch etwas zu langsam vor und so riefen wie die Schwester an um einen Rat einzuholen… Da es schon dunkel war, als wir die Stadt erreichten in der wir umsteigen mussten, und die Dunkelheit für Weiße nicht gerade ungefährlich ist, riet uns Schwester Veronika, in Kasungu (der Stadt) zu übernachten. Gute Idee, nur das Geld fehlte uns nach dem Touristenwochenende für das Hotel. Also nahmen wir uns ein Taxi, starben tausend Tode bei der Fahrweise, kamen dann aber wohlbehalten, gerade rechtzeitig zum Abendessen bei den Schwestern an. 🙂

So schnell werden wir den See wohl nicht mehr besuchen und auch vor der Rückfahrt von Lilongwe graut es uns schon wieder, da wir bis jetzt immer Probleme mit der Rückfahrt hatten.

Was sonst noch so passiert ist:

Wir hatten Besuch von deutschen „Geldgebern“, die die Patenschaften für die Kinder übernehmen, damit einige auf die secondaryschool gehen können. Es gab eine große Begrüßungsfeier in der Schule und ein reichlich gedeckter Bufetttisch im Schwesternhaus. Ein wenig verärgert waren wir über das Auftreten der Besucher… in kurzen Shorts und mit dicken Kameras um den Hals kamen sie zur Schule und beim Mittagessen haben sie erst einmal ordentlich aufgehäuft. Sie sind es ja auch nicht anders gewohnt, aber wir haben große Augen gemacht, als wir sogar Hähnchen und gefüllte Blätterteigtaschen auf dem Tisch sahen. Nachdem wir sogar Obstkuchen zu essen bekommen haben, haben wir dann begriffen, wie wichtig diese Leute für unser Projekt sind.

Außerdem haben wir in diesem Monat den „st. francis day“ gefeiert: mit einer langen Messe, in der alle Kindergarten- und Schulkinder versammelt waren und etwas aufführten oder (wie wir) im Chor mitsangen. Das eigentliche Fest bestand aber darin, dass die Kinder eine Festmahlzeit bekamen (Reis, Fleisch und Gemüse) und sogar ein bisschen „sobo“ (Konzentrat, was mit Wasser gestreckt, nach Fanta ohne Kohlensäure schmeckt) zu trinken bekamen. Da die Waisenkinder höchstens ein mal im Jahr so etwas zu essen und zu trinken bekommen, könnt ihr euch ja vorstellen, wie groß die Freude war! Ihr könnt euch aber bestimmt auch ausrechnen, dass das noch vor dem Wassermangel war…

Meine Klasse

Meine Klasse

Letzte Woche habe ich dann außerdem noch meine neuen Unterrichtsfächer gesagt bekommen. Da bald das Schuljahr um ist, bietet sich die Gelegenheit, eine neue Klasse zu unterrichten, da meine bisherige 5. Klasse noch vieles auf Chichewa erklärt bekommen müsste. Auch wenn sich unsere zusätzlichen Chichewastunden in den Gesprächen etwas bemerkbar machen, so reicht es doch noch lange nicht, um eine Klasse zu unterrichten.

Daher werde ich ab Dezember die 8. Klasse in Sport, Kunst und Hauswirtschaft unterrichten.
Diese Tatsache lässt meinen Puls jetzt schon bis zum Anschlag hochsteigen. Zum einen, weil sich die Schüler der 8. Klasse mitten in der Pubertät befinden und ausprobieren wollen, wie weit sie denn bei Autoritätspersonen gehen können (das habe ich leider schon bei der Begrüßungsfeier der deutschen Spendergruppe merken müssen) und zum anderen, weil ich mich für Hauswirtschaft nicht gerade als die geeigneteste Lehrerin sehe. Wohl auch, weil ich noch nie an einer offenen Feuerstelle gekocht habe.
Aber vor dieser Herausforderung stehen noch einige andere an, zum Beispiel der Abschlusstest meiner jetzigen Klasse, der in ein paar Wochen geschrieben werden muss. In allen Fächern wird nach dem Schuljahr ein Test geschrieben, der über die Versetzung der Schüler entscheidet und da einige Kinder mich schon fragten, was „money“ oder „day“ heißt, habe ich ein paar Kandidaten, die es wohl nicht in standard 6 schaffen…

Das größte Highlight dieses Monats war wohl der erste Regen dieses Jahres! Am Donnerstag hat ein Gewitter mit einigen Regentropfen die Regenzeit angekündigt. Obwohl der erste Regen immer erst um Mitte Dezember fiel, freuten sich alle darüber. In der Dunkelheit hat man einige Kinder freudig lachen gehört und auch wenn wir sie nicht gesehen haben, konnten wir uns vorstellen, wie erleichtert sie draußen rumgetanzt haben müssen. Vor allem in der harten Zeit ohne Wasser, waren die paar Wassertropfen doch schon eine große Quelle der Hoffnung!

Das, finde ich, ist eine gute Nachricht um mit diesem Bericht zu enden.

Auch wenn ihr euch die Situation hier wahrscheinlich nicht vorstellen könnt und es aus eurer Sicht unerträglich erscheint, seid euch sicher, mir geht es gut! Wir haben noch genug Wasser in unserem privaten Tank und auch wenn es etwas umständlicher ist, hier zu leben, bin ich mir sicher, dass wir in dieser Phase noch intensiver lernen, die uns zur Verfügung stehenden Mittel sparsam zu nutzen und zu schätzen!
Daher sehe ich den Wassermangel für mich persönlich, die ich eine Coleraimpfung und einen privaten Wassertank habe, als eine große Chance, unsere Natur mehr zu schätzen und zu achten.
Mir geht es gut hier! Ich habe zu essen und zu trinken – mehr braucht man doch eh nicht zum Leben – alles andere ist Luxus.

Eure Eva