Alfener Madonna aus Böddeken

Seltsames Schicksal eines Kunstwerks

von Franz Kruse-Dorsten

Durch den Reichsdeputationshauptschluß wurde auch das Kloster Böddeken (vom hl. Meinolphus – 775 bis 847 – gegründet) im Jahre 1803 säkularisiert. Es war zunächst ein Frauen-, später auch ein Männerkloster gewesen. Als die gotische Kirche des Klosters nicht mehr benutzt wurde, verfiel sie langsam. Immerhin standen gegen 1905 die Außenmauern noch bis zum Ansatz der Gewölbe.

Um 1860 fuhren zwei Alfener Bauern – Meinolf Röhren-Meilschen und (?) Fleigen-Göers, Urgroßvater der Frau Wwe. Elisabeth Schulte (geb. 1886) – mit ihren Knechten aus den Waldungen hinter dem Kloster Böddeken Holz. Auf dem Rückwege sahen sie unweit vom Kloster im Straßengraben eine Statue. Sie betrachteten den Fund, und plötzlich soll der Bauer Meinolf Röhren gesagt haben: „Das ist ja der hl. Meinolphus! Und der liegt hier im Graben? Dazu mein Namenspatron! Den nehmen wir mit.“ Sie verluden also die Statue auf ihren Holzwagen und stellten sie in der Kapelle zu Alfen auf. In der neuen Kirche (erbaut 1906/07) erhielt das Standbild seinen Platz an der Nordseite des Pfeilers unter der Orgelbühne (heute an der Westseite des Altarraums).

Einige Wochen später waren die beiden Bauern wieder in der Gegend des Klosters Böddeken. Da fanden sie eine Madonna, die im Straßengraben lag. Sie wurde ebenfalls aufgeladen und kam so nach Alfen. Zunächst erhielt sie ihren Platz an der Ostseite der alten, 1964 abgebrochenen Volksschule. Diese, 1840 erbaut, hatte damals an der Ostseite keine Fenster. Dagegen waren an jeder Schmalseite nach Norden und Süden zwei Fenster. Die Statue machte, so erzählen alte Leute, auf diesem Platz einen imposanten Eindruck. Jeder, der von Süden her ins Dorf kam und sie bei Thebille-Falken erblickte, war überrascht. Gegen 1880 schrieb ein Erlaß des Preußischen Unterrichts-Ministeriums vor, daß in allen Schulzimmern das Licht von links einfallen müsse. So wurden die Fenster an der Südseite zugemauert, und die Ostseite erhielt drei Fenster. Die Madonna mußte ihren Platz wechseln. Sie wurde an der Nordseite der Schule zwischen den Fenstern aufgestellt.

Nach dem Ersten Weltkriege war der Bauer Johannes Drüke (1861 – 1950), Brand genannt, Gemeindevorsteher. Zu ihm kam eines Tages ein Antiquitätenhändler, in der Absicht, die Alfener Madonna zu kaufen. Er bot 4.000 Mark dafür. Der Gemeindevorsteher ließ sich aber auf nichts ein und erklärte dem Mann, daß ein Verkauf der Madonna niemals in Frage komme. Nach einem Jahr erschien der Händler von neuem und erbot sich, für die schöne Statue 4.000 Mark zu zahlen und eine naturgetreue Nachbildung zu liefern und an demselben Platz aufzustellen. Aber auch auf dieses Angebot ließ sich der Gemeindevorsteher nicht ein und betonte: „Die Alfener würden mir den Kopf abreißen, wenn sie hinter einen solchen Betrug kämen!“ Später stellte sich heraus, daß der Antiquitäten-Händler die Statue hatte nach England verkaufen wollen.

Jetzt kam in Alfen die Befürchtung auf, daß die Madonna eines Tages verschwunden und vertauscht sein könnte. So wurde sie dann in der alten Kirche aufgestellt (heute auf der Nordwand des östlichen Seitenschiffes der Pfarrkirche).

Nun sage doch einer, die Alfener hätten kein Kunstverständnis!