Volkstrauertag
“Aus der Vergangenheit lernen – das Jetzt gestalten – und an die Zukunft glauben”
Mit diesen Worten möchte ich Sie, verehrte Alfenerinnen und Alfener, liebe Gäste und Abordnungen von Vereinen, herzlich begrüßen und Sie einladen, gemeinsam die diesjährige Gedenkfeier anlässlich des morgigen Volkstrauertages zu begehen.
Aus der Vergangenheit lernen – das Jetzt gestalten – und an die Zukunft glauben
Diesen Ausspruch habe ich vor Monaten auf einen Gedenkstein an der Nordsee gelesen.
Er stammt von einem Mann, der den 2. Weltkrieg miterleben und durchleiden musste, anschließend aus seiner schlesischen Heimat vertrieben wurde und in Ostfriesland eine neue Heimat fand.
Wir haben uns hier an unserem Ehrenmal versammelt, um der Gefallenen der Weltkriege, der Opfer von Gewaltherrschaft, Terror und Diktatur, auch in der heutigen Zeit, zu gedenken.
Aus der Vergangenheit lernen.
Ein großer Vorsatz. Ein ehrenwerter und beispielhafter Vorsatz.
Leicht dahin gesagt. Lernen wir wirklich aus der Vergangenheit? Wir, also jeder einzelne, Wir, die Gemeinschaft des Volkes und Wir, die Gemeinschaft der Völker?
Ein kurzer Blick zurück:
Beginnen wir beim ersten Weltkrieg. Schon vorher hat es unzählige Kriege und blutige Auseinandersetzungen gegeben. Dieser Krieg erreichte allerdings eine neue Dimension, eine neue Art der Kriegsführung, mit Panzern, Gas und einem völlig menschenverachtenden Einsatz von Soldaten auf beiden Seiten. Das Ergebnis: 20 Millionen Tote, unzählige sogenannte Kriegsversehrte. Das seelische Leid, auch der Angehörigen, kann niemand ermessen.
Nach der deutschen Kapitulation ein Frieden, der, geprägt von Rachegedanken, unglaubliche Reparationszahlungen und andere niederdrückende Bedingungen diktierte.
Nicht zuletzt diese unbefriedigende Situation sorgte für die nächste Eskalation. Zweiter Weltkrieg. Eine Apokalypse, die alles bisherige in den Schatten stellte. Ergebnis: 55 Millionen Tote.
Haben wir aus dieser Vergangenheit gelernt? Nicht wirklich. Kriege, Konflikte, tödliche Auseinandersetzungen und damit verbunden Leid und Elend, Massenfluchtbewegungen.
All das prägt das Weltgeschehen nach wie vor.
Scheinbar hilflos stehen wir dem gegenüber. Und trotzdem. Zumindest müssen wir es immer wieder versuchen, aus der Vergangenheit zu lernen. Auch dafür steht dieser Volkstrauertag. Auch deshalb ist er nach wie vor aktuell, soll uns aufrütteln und zum Nachdenken zwingen. Aus der Vergangenheit lernen, bedeutet auch, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen.
Stalag 326. Stammlager 326 bei Stukenbrock. Fast bei uns vor der Haustür. Vor etwa 2 Jahren begann man mit dem Aufbau einer Gedenkstätte mit nationaler und internationaler Strahlkraft. Allein in NRW gibt es 29 Gedenkstätten und Erinnerungsorte zur Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich. Braucht es da noch eine weitere Gedenkstätte? Nicht nur in NRW, auch auf Bundesebene gab es keine Gedenkstätte, die die zweitgrößte Opfergruppe, nämlich sowjetische Kriegsgefangene, in den Focus stellt. Stalag 326 war von Anfang an eines der größten Russenlager, das von über 300.000 Gefangenen durchlaufen wurde. Schätzungen gehen davon aus, dass auf dem dortigen Friedhof bis zu 65.000 sowjetische Kriegstote begraben liegen.
Aus der Vergangenheit lernen – das Jetzt gestalten
Das Jetzt gestalten: Damit sind wir gemeint, jeder einzelne von uns. Ich weiß: Keiner von uns, wie wir hier stehen, hat den Einfluss, am großen Rad der Weltgeschichte mit zu drehen. Aber ich bin sicher: Auch im kleinen, alltäglichen Lebensablauf gegenüber dem Nachbarn, den vermeintlich Fremden, der ungewohnten und auch oft gewöhnungsbedürftigen anderen Kultur sich offen zu verhalten, Toleranz zu zeigen, Geduld und Verständnis aufbringen, sorgt für eine positive Grundeinstellung in unserer Gesellschaft und hilft ein ganz klein wenig, unsere Welt heller, freundlicher und sicherer zu machen.
Aus der Vergangenheit lernen – das Jetzt gestalten – und an die Zukunft glauben
an die Zukunft glauben: Ja, wenn uns der Glaube an die Zukunft verloren geht, dann wars das. Dann haben wir unser eigenes Ende eingeläutet. Dann brauchen wir auch das „Jetzt“ nicht mehr gestalten. Dann sind wir nur noch armselige Kreaturen. Und ich meine mit Zukunftsglaube nicht die Planung des nächsten Urlaubs, nicht das nächste große Event oder Fußballspiel. Oder gar einen Lottogewinn.
Es muss der Glaube sein an eine Zukunft, die für alle lebenswert ist.
Zur Erinnerung und Mahnung haben wir in diesem Jahr für die Gefallenen der beiden Weltkriege hier vor Ehrenmal für jeden der Nichtheimgekehrten eine Kerze entzündet. Dies waren im ersten Weltkrieg 19, im zweiten Weltkrieg 44 junge Alfener Männer.
Mögen diese Lichter dazu beitragen, eine kleine Vorstellung davon zu bekommen, wie viel Leid und Schmerz hinter jede dieser Kerzen steht.
Meine Ausführungen möchte ich mit einem Ausspruch von Erich Kästner schließen:
Die Erde soll früher einmal ein Paradies gewesen sein. Möglich ist alles. Die Erde könnte wieder ein Paradies werden. Alles ist möglich.
Abschließend möchte ich das offizielle Totengedenken sprechen:
Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, Kinder, Frauen und Männer aller Völker. Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren. Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.
Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft leisteten, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder ihrem Glauben festhielten.
Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Opfer sinnloser Gewalt, die bei uns Schutz suchten.
Wir trauern mit den Müttern und mit allen, die Leid tragen, um die Toten.
Doch unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der Welt.
Zum Gedenken an die Gefallenen der beiden Weltkriege sowie im Gedenken der Opfer von Gewaltherrschaft, aber auch im Gedenken der Gefallenen der heutigen Kriege lege ich einen Kranz hier an unserem Mahnmal nieder.
Möge dieses Mahnmal nicht nur ein Denkmal in unserer Dorfmitte sein, sondern tatsächlich sein eine Mahnung für uns und den kommenden Generationen.
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